Hockey ohne Eis- Ein Abend mit Gerd Braune in Frankfurt
Eishockey: Gehört hier bei uns zusammen. Weil: Man muss es ja erklären. Schließlich verstehen wir in Deutschland unter Hockey automatisch Feldhockey. In Kanada ist es genau anders herum. Hockey bitte ohne ice! Denn „wo sonst sollte man hockey spielen?“, beschreibt Gerd Braune kurz und bündig die Einstellung der Kanadier zu ihrem Nationalsport. Kein Europäer könne sich schneller als solcher outen, als wenn er mit ice hockey daherkomme, warnt der Kanada- Korrespondent sein Publikum, das an diesem Abend auf Einladung der DKG Regionalgruppe Rhein-Main in den Frankfurter PresseClub gekommen war.
Seit 1997 lebt und arbeitet Gerd Braune in Ottawa. Geboren wurde er in Toronto, wuchs in Deutschland auf und besitzt beide Staatsbürgerschaften. Freimütig berichtet er, dass der Anfang in Ottawa frustrierend war. Zum Beispiel als er nach 25 Jahren Fahrpraxis in Deutschland erst einmal seinen Ontario- Führerschein machen musste- und prompt durchfiel. In seinem jüngsten Buch Kanada Ein Länderporträt umschreibt er übrigens, was er dem hartherzigen Fahrprüfer Joe am liebsten gesagt hätte. Gerd Braune musste und muss aber in Ottawa vor allem hart arbeiten, um die Redaktionen zu Hause von seinen Themen zu überzeugen. Kanada sei zwar bei uns im Allgemeinen ausserordentlich beliebt, stehe aber bis heute publizistisch allzu schnell im großen Schatten des südlichen Nachbarn, berichtet Braune.
Er schreibt für viele deutsche Zeitungen sowie für Blätter in Österreich, Luxemburg und der Schweiz. Er sagt von sich, dass er „100 Prozent des deutschen Pressekontingents“ in Kanadas Hauptstadt darstelle! Das Themenspektrum ist entsprechend breit. Ob Justin Trudeau, der Skandal um Residential Schools, Waldbrände, Klimawandel, die „Liebe der Kanadier zum Bier“ (!) oder eben hockey, ein Auslandskorrespondent muss gerade auch in Kanada die ganze Klaviatur beherrschen. Gerd Braune plaudert im Frankfurter Presse Club an diesem Abend aus dem Nähkästchen, schildert wie wichtig es ihm ist, nicht nur die nüchternen Fakten zu liefern, sondern noch wichtiger, Hintergründe zu erklären, und zwar so, dass es den Lesern auch gefällt. Berichte über Ereignisse im eigenen Land oder in den USA könne man ganz anders schreiben, da müsse den Lesern vieles gar nicht erst erklärt werden, erzählt Braune. Die Leser wüssten eben um die Hintergründe. Aber bei Kanada sei das eben anders. Ganz anders. Der Korrespondent gibt ein Beispiel. Der Premier Minister werde anders als unsere Kanzler nicht vom Parlament gewählt. Sondern ein Justin Trudeau erhalte den Regierungsauftrag vom Governor General. Und, fügt Gerd Braune hinzu, regiere dann im Zweifel nicht in einer Koalition mit anderen Parteien. In Kanada werde traditionell selbst ohne parlamentarische Mehrheit auf Koalitionen verzichtet. Etwas, über das sich auch er wundert. In seinem neuen Buch Kanada Ein Länderporträt stellt er Kanada ausführlich vor, geht u.a. auf das Verhältnis zu den USA sowie zu den transatlantischen Partnern ein, bietet aber auch ein Kapitel über Eiswein, Poutine und das Wetter an. Und über hockey.
Ulrich Barths
Gerd Braune war am 21. Oktober im Frankfurter PresseClub zu Gast.
Geboren wurde er 1954 in Toronto. Seit 1997 berichtet er aus Ottawa für Zeitungen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg, u.a. für die Frankfurter Rundschau, der Stuttgarter Zeitung und dem Handelsblatt. Kanadas Indigene Völker liegen ihm sehr am Herzen. Sein Buch Indigene Völker in Kanada. Der schwere Weg zur Verständigung erschien im vergangenen Jahr im Ch. Links Verlag. Sein neues Buch Kanada Ein Länderporträt ist in diesem Jahr im gleichen Verlag erschienen.