Bernadette Calonego

Interview

mit Autorin Bernadette Calonego

„Canada Calling“ – Ein Gespräch mit Auslandskorrespondentin und Schriftstellerin Bernadette Calonego.

Bernadette Calonego ist Auslandskorrespondentin und Schriftstellerin. Ursprünglich aus der Schweiz, lebt und arbeitet sie seit 2000 in der Nähe von Vancouver. Für Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz berichtet sie über Kanada. Unter anderem sind ihre Artikel in der Süddeutschen Zeitung in Deutschland, dem Standard in Österreich und dem Tages-Anzeiger in der Schweiz zu finden. Calonego hat ebenfalls mehrere Krimis und ein Buch über das Leben einer Auslandskorespondentin in Kanada veröffentlicht. Mit der DKG hat sie über ihre Karriere, Eindrücke von Kanada und kanadische Literatur gesprochen.

By: Anton Rizor

DKG: Sie sind in der Schweiz geboren, mittlerweile berichten Sie für deutschsprachige Medien aus Ihrer Wahlheimat Kanada. Was hat Sie dazu motiviert, nach Kanada zu kommen?

Calonego: Letztlich hat mich meine Arbeit dazu gebracht, nach Vancouver zu ziehen. Vorher hatte ich zehn Jahre lang als Auslandskorrespondentin für die Süddeutsche Zeitung in der Schweiz gearbeitet. Da die Schweiz allerdings auch meine Heimat ist, wollte ich Erfahrungen in einem ganz fremden Land sammeln. Ich habe mich dann nach Möglichkeiten umgeguckt, und Kanada war unterbesetzt. Da ich vorher schon auf Reisen hier war, habe ich den Entschluss gefasst, mich selbständig zu machen und mich in Kanada niederzulassen.

DKG: Was fasziniert Sie am Journalismus?

Calonego:  Journalistin zu sein, war schon lange mein Traumberuf. Ich habe immer gern geschrieben und habe mich dafür interessiert, Vorgängen auf den Grund zu gehen. Ähnlich wie in Krimis fasziniert es mich nachzuforschen, was genau passiert ist. Ich finde es auch spannend, meine Nachforschungen so umzusetzen, dass die Berichte verständlich und interessant für den Leser sind

DKG: Sie schreiben für eine Reihe deutschsprachiger Medien. Was ist der Eindruck der Redakteure von Kanada?

Calonego: Am Anfang habe ich schon gespürt, dass Kanada in der Einschätzung der Redakteure im Schatten der USA  steht. Da ist es schon mal vorgekommen, dass ich Themen angeboten habe (z.B. First Nations in Kanada), die nur dann interessant für Redakteure waren, wenn auch die USA thematisiert wurden. Mit der Zeit hat Kanada allerdings an Wichtigkeit im deutschsprachigen Raum gewonnen. Speziell in der Wirtschaft gibt es einige kanadische Firmen (z.B. Bombardier), die auch in Deutschland bekannt sind. Gleichzeitig hat das Interesse an kanadischer Politik zugenommen. Bei den Zeitungen wird heute sicher wahrgenommen, dass die kanadische Gesellschaft liberaler, offener und säkularer ist als in weiten Teilen der USA.

DKG: Wie würden Sie Ihre Arbeit als Auslandskorrespondentin in Kanada mit Ihrer Arbeit in der Schweiz vergleichen?

Calonego: Da die Schweiz ein Nachbarland von Deutschland ist, war das Interesse automatisch stärker.  In Kanada muss ich mehr tun, um meine Geschichten zu verkaufen. Ich lasse mir jeweils etwas einfallen, zum Beispiel einen Bezug zu Deutschland, damit ich Zeitungen überzeugen kann, dass meine Geschichten nicht nur wichtig, sondern auch interessant für deutsche Leser und Leserinnen sind.

DKG: Sie sind nicht nur Journalistin, sondern auch Autorin. Was hat Sie dazu bewegt, Bücher und speziell Krimis zu schreiben?

Calonego: Ich lese selber sehr gerne Krimis, daher hat es sich fast ein wenig angeboten. Ich mag, dass Kriminalromane relativ geradlinig geschrieben sind. Das heißt, es gibt ein klares Schema: Täter, Verbrechen und Aufklärung. Dazwischen kann man falsche Fährten einstreuen. Dieses Schema passt sehr gut zu meinem Schreibstil. Dazu bieten mir Krimis die Möglichkeit, andere Facetten des Landes zu zeigen. Zum Beispiel kann ich Szenarien und Orte Kanadas beschreiben, über die ich in Zeitungsartikeln nicht schreiben könnte.

DKG: Ihr aktuelles Buch „Die Fremde auf dem Eis“ spielt in der Arktis. Warum haben Sie gerade diesen Schauplatz gewählt?

Calonego: Ich bin selber zweimal in der Arktis gewesen. Einmal bin ich auf einem Eisbrecher der kanadischen Küstenwache durch die Nordwestpassage gefahren, und das andere mal war ich am Polarmeer in den Northwest Territories unterwegs. Die Region ist begehrt, da dort viele Bodenschätze zu finden sind und sie deshalb an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen hat. Es gibt indes Spannungen zwischen einigen Arktis-Nationen, weil es unterschiedliche Auffassungen um die Kontrolle in der Arktis gibt.  Die Klimaerwärmung hat die schmelzende Arktis ebenfalls ins Gespräch gebracht. Außerdem wollte ich darüber schreiben, wie Einheimische dort ein relativ modernes Leben führen, auch wenn uralte Traditionen immer noch eine wichtige Rolle spielen.

DKG: Kanada wird Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse 2020 sein. Wie würden Sie kanadische Literatur kurz charakterisieren?

Calonego: In vielen Büchern kanadischer Autoren spielt die ungezähmte, eindrückliche Wildnis eine große  Rolle, die Begegnung mit wilden Tieren (etwa im Buch „The Bear“ von Claire Cameron) oder das Überleben in der Natur.  Andrerseits lebt eine Mehrzahl der Kanadier in Städten, und dort sind andere Themen wichtig. Hier werden häufig das multikulturelle Kanada, Immigration, und der Konflikt zwischen der Herkunft von Immigranten und kanadischen Wertvorstellungen oder kanadischer Kultur thematisiert, zum Beispiel im Buch „The Illegal“ von Lawrence Hill.

DKG: Was können Deutsche und Kanadier von einander lernen?

Calonego: Ich möchte nicht in Klischees verfallen, aber ich glaube, dass die kanadische Toleranz und Willkommenskultur vorbildlich ist. Gleichzeitig muss ich mit einem Schmunzeln auch sagen, dass Kanadier etwas von der deutschen Liebe zu Qualität, Präzision und Zuverlässigkeit lernen könnten.

DKG: Welchen einfachen Rat würden Sie jungen Journalisten und Autoren geben?

Calonego: Autorinnen und Autoren würde ich raten, klein anzufangen. Wenn man jeden Tag eine Stunde schreibt, unabhängig davon, ob man Lust hat oder nicht, dann kann man sich eine gewisse Routine angewöhnen, und mit der Routine kommt meistens die Inspiration. Angehende Journalistinnen und Journalisten sollten sich überlegen, in welchen Bereich sie einsteigen möchten: Rundfunk, Printmedien, Online-Journalismus oder Fernsehen usw. Grundsätzlich glaube ich, dass eine zusätzliche Ausbildung in einem Fachbereich, der nicht im Journalismus liegt, sehr hilfreich ist.

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