Maple Leaf

Interview

mit Dr. Friedrich Blase

Neuer Denkansatz für das kanadische Rechtssystem und Justizwesen – Ein Gespräch mit Dr. Friedrich Blase.

Dr. Friedrich BlaseDr. Friedrich Blase ist studierter Jurist und Gründer der sogennanten Un-Firm, einem Unternehmen, dass die Effizienz der Rechtsberatung steigern möchte. Ursprünglich aus Deutschland, lebt und arbeitet Blase mittlerweile seit elf Jahren in Toronto. Neben seiner Tätigkeit in der Un-Firm arbeitet er mit Jungunternehmen im Bereich Legal Tech. Mit der DKG hat er sich über seine Karriere, seine Arbeit mit der Un-Firm und die Herausforderungen des kanadischen Justizwesens und Rechtsberatung unterhalten.

DKG: Sie haben ihr erstes Staatsexamen in Köln absolviert.  Wie sind Sie von dort nach Toronto gekommen?

Dr. Friedrich Blase: Während meiner Studienzeit habe ich an einem internationalen Wettbewerb im Bereich Schiedsgerichtbarkeit teilgenommen. Der Wettbewerb war der intensivste Teil meines Studiums und die Erfahrung war sehr prägend. Im Anschluß  an die finale Konferenz, bei der 40 Teams aus der ganzen Welt nach Wien kamen, war mir klar, dass ich juristisch international arbeiten wollte. Danach habe  ich meine Doktorarbeit in Münster und Berlin geschrieben und mein Referendariat in Dortmund absolviert. Als ich für eine englische Kanzlei in Frankfurt arbeitete, habe ich meine spätere Frau, eine gebürtige Kanadierin, kennen gelernt. In 2003 habe ich mich dann dazu entschlossen, von der anwaltlichen Tätigkeit in die Unternehmensberatung für Kanzleien zu wechseln. Gemeinsam mit meiner Frau habe ich anschließend den Schritt nach Nordamerika gewagt. Da meine Frau ursprünglich aus Toronto stammt und Toronto logistisch international hervorragend angebunden ist, haben wir uns hier niedergelassen.

DKG: Sie haben jetzt die sogenannte Un-Firm gegründet. Worum handelt es sich hierbei?

Blase: Aktuell ist die Un-Firm noch eine Idee, an der Juristen aus Europa, den USA und Kanada zusammenarbeiten. Einerseits soll sie Anwaltskanzleien Starthilfe zu effizienter Dienstleistungserbringung leisten, aber gleichzeitig konkurriert die Firma auch mit dem traditionellen Ansatz von Kanzleien (sogenannte Co-opetition Situation). Unser Ansatz ist, dass Rechtsberatung, speziell im anglo-amerikanischen Raum, sehr ineffizient und teuer ist. Kanzleien haben sich lange Zeit sehr schwer getan, Effizienzgewinne zu verbuchen. Während Kanzeleien sich darauf fokussieren, ihr Angebot zu erhöhen und komplexere Lösungsansätze anzubieten, wollen Unternehmen schnelle und kostengünstige Beratung. Um dies zu erreichen, haben sich Unternehmen eigene Rechtsabteilungen zugelegt und Leistungen von anderen Anbietern. Etwa Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bezogen.  Die Un-Firm bündelt die Tätigkeiten der Rechtsdienstleister und macht es Unternehmen einfacher, den Markt zu überschauen und eine Effizienzsteigerung in der Rechtsberatung zu erzielen.

DKG: Wie genau wollen Sie das erreichen?

Blase: Wir drehen an drei Stellschrauben. Zuerst wollen wir mit der Ursache für Rechtsbedarf in Unternehmen beginnen. Ist es möglich, dass man gewisse wiederkehrende Rechtstreitigkeiten abstellen kann? Der zweite Bereich ist die Effizienz der Prozesse und Technologie der Rechtsabteilungen. Häufig müssen sich Rechtsabteilungen mit Routinearbeiten beschäftigen, die man effizienter bearbeiten kann, zum Beispiel mit verbesserten Arbeitsabläufen und teilautomatisiert mit Einsatz von Software. Der finale Bereich ist der Einkauf von Rechtsberatung. Hier stellen wir die Fragen: Wie werden außenstehende Kanzleien instruiert  und wie sollen sie dem Unternehmen helfen? Unsere Untersuchungen zeigen, dass man über diese drei Bereiche die Effizienz vervierfachen kann. Das ist für jedes Unternehmen ein lohnenswertes Unterfangen.

DKG: Sie arbeiten ebenfalls intensiv mit Jungunternehmen im Legal Tech Bereich. Was motiviert Sie mit Jungunternehmen zu arbeiten?

Blase: Die Technologie im Bereich der Rechtsdienstleistung ist in den letzen Jahren stark gewachsen. Obgleich die Anwendung aktuell noch kleiner ist als die Aufmerksamkeit, so glaube ich, dass dieser Bereich sehr wichtig für Justiz und Rechtsberatung sein wird. Meine Motivation stammt aus meiner Überzeugung als  Jurist, dass das Rechtsystem ein wesentlicher Bestandteil der Geselschaft ist. Allerdings versagt das Rechtssystem im anglo-amerikanischen Raum kolossal, was den einzelnen Bürger betrifft. Das kanadische Gerichtswesen ist für Juristen gebaut, veraltet und wird durch die Digitalisierung noch komplexer. Es gibt also einen fundamentalen Wissensunterschied zwischen Rechtsexperten und Bürgern. Gerade deshalb ist Rechtsberatung enorm wichtig, allerdings ist diese praktisch unbezahlbar geworden. In Ontario zum Beispiel werden täglich 1000 Fälle im Traffic Court abgewickelt, bei der eine massive Mehrheit nicht anwaltlich vertreten ist. Diese Problematik haben einige Jungunternehmen erkannt und versuchen jetzt, die Situation, zum Beispiel mit sogennanten Chatboxen, die im Internet Hilfestellungen zum Gerichtsverfahren anbieten, zu verbessern.

DKG: Sie arbeiten auch mit der gemeinnützigen Organisation Onelamp Uganda. Was ist Ihre Aufgabe dort?

Blase: Onelamp Uganda ist eine Organisation, die erfolgreich die Landbevölkerung Ugandas mit Solarzellentechnologie vesorgt und so die hoch gefährlichen Kerosinlampen ablöst und zugleich vielen Menschen beim mühsamen Aufstieg aus der Armut ein wirtschaftlich wichtiges Werkzeug zur Verfügung stellt. Ich bin dort seit drei Jahren aktiv, nachdem mich eine Präsentation des Gründers bei einer Veranstaltung für Social Entrepreneurship sehr inspiriert hat. Spontan habe ich mich damals dazu entschlossen, Onelamp sowohl finanziell als auch als Berater zu unterstützen. Mitlerweile hat Onelamp finanzielle Unterstützung von der US Regierung bekommen, um den Vertrieb deutlich schneller ausbauen zu können. Es ist sehr erfreulich, dass Onelamp weiter wächst und aktuell ein Fünftel der Haushalte in Uganda mit Solarlampen versorgt.

DKG: Was ist Ihr Rat für junge Juristen?

Blase: Ich glaube, dass es wichtig ist, mit offenen Augen in das Berufsleben einzutreten. Die juristische Dienstleistung wird sich in den kommenden 10 Jahren sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich massiv verändern, und es wird mehr Möglichkeiten geben als die traditionellen Richter- oder Anwaltsberufe.

Un-Firm of the Future: http://www.un-firm.com/

OneLamp Uganda: http://www.onelamp.ug/

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